Herr Stoll, das Herren-Team des Golf-Club Main-Taunus hat kürzlich einen ungewöhnlichen Platzrekord aufgestellt: 50 Schläge bei Par 72. Wie kommt man auf die Idee, einen Zwölfer-Scramble zu spielen?
Martin Stoll: Die Idee ist Ende Juli auf unserer Clubhausterrasse entstanden, nach der Siegerehrung eines Scramble-Turniers. Mitglieder und Mannschaftsspieler haben darüber diskutiert, wie die perfekte Runde aussähe. Im vergangenen Jahr hatten wir während der Olympischen Spiele im Club mal einen Sechser-Scramble, bei dem gleich zwei Teams die magische 59er-Marke erreicht haben. Aber eine perfekte Runde wäre noch besser: auf jedem Par 3 und Par 4 ein Birdie und auf jedem Par 5 ein Eagle. Bei uns im Golf-Club Main-Taunus macht das 50 Schläge bzw. 22 unter Par – das wäre mal ein Scramble-Rekord! Für einen einzelnen ein undenkbares Ergebnis – aber nicht für unseren Herren-Kader mit vereinten Kräften.
Sie haben dann Wetten abgeschlossen mit einigen Clubmitgliedern.
Martin Stoll: Ja, wir hatten schon am Abend selbst die Zusage für Spenden in Höhe von 3000 Euro in die Mannschaftskasse, wenn wir als Zwölfer-Scramble die 50 Schläge schaffen. Innerhalb von sieben Minuten stand in unserem Team-Chat der Entschluss, dass wir es angehen. Die Wettsumme hat sich vor unserem großen Tag dann sogar noch mehr als verdoppelt. Ein toller Anreiz, zumal wir mit unserem Team gerade in die Zweite Bundesliga aufgestiegen sind und wir uns bestmöglich auf die kommende Saison vorbereiten wollen. Da hilft ein zusätzliches Budget, um uns zum Beispiel einen Mentalcoach zu leisten.
„Wir haben zu zwölft nur 4:15 Stunden gebraucht“
Wie bekommt man als Zwölfer-Scramble im Golf-Club Main-Taunus eine Startzeit?
Martin Stoll: Nur mit Hilfe des Vorstandes. Präsident Stephan Ziegler und sein Team haben unser Projekt sofort unterstützt und alle Mitglieder wurden informiert. Hinter uns wurde sogar für zwei Stunden der Platz gesperrt. Eigentlich unnötig, wie sich herausgestellt hat. Viele Dreier-Flights wären mit unserem Spieltempo mehr als glücklich: Wir haben nur 4:15 Stunden benötigt.

Wie ist das möglich?
Martin Stoll: Wir haben die Runde beschleunigt, indem wir unnötige Schläge vermieden haben. Wenn unsere fünf Longhitter abgeschlagen haben und der Ball perfekt im Spiel war, mussten die anderen sieben nicht noch ran. Auch aus Liebe zu den 60 Zuschauern, die uns über die Runde begleitet haben. Allerdings: Alle Schläge, die potenziell im Loch landen können, haben immer alle zwölf Spieler gemacht.

Ist der Scoring-Plan beim dann genauso aufgegangen wie gedacht?
Martin Stoll: Nein, leider haben wir es nicht geschafft, auf der zweiten Bahn, einem 523 Meter langen Par 5, ein Eagle zu spielen. Der Boden war feucht, so dass der Ball nicht besonders weit gerollt ist. Nach dem Drive hatten wir noch 235 Meter bis zur Fahne. Es wurde dann nur ein Birdie. Andererseits hatte der Ausrutscher auch etwas für sich: Ab diesem Augenblick war Spannung drin – für uns und die Zuschauer.
Welcher Jubel war lauter: Der über das ungeplante Eagle auf Bahn 11, einem Par 4, oder nach dem letzten Putt auf dem 18. Grün zur 50?
Martin Stoll: Als Leon Kemper auf der 11 aus acht Metern zum Eagle eingechipt hat, war die Freude natürlich gewaltig. Aber zu diesem Zeitpunkt war das Gefühl eher: Jetzt sind wir wieder auf Spur. Um ein Haar hätten wir übrigens schon auf Bahn 5 ein Eagle auf einem Par 4 gespielt. Gleich drei Bälle sind nach Chips vom Fahnenstock abgeprallt, statt im Loch zu landen. Der letzte Putt zur 50 hat dann eine kollektive Euphorie ausgelöst. In einem Jubelspalier haben die Zuschauer unsere Spieler gefeiert. Anschließend haben wir alle zusammen auf der Clubhausterrasse gegrillt und das Erlebte verarbeitet.
Mit der Erkenntnis, dass ein noch besserer Scramble-Rekord möglich sein muss?
Martin Stoll: Ja, denn was ist schon perfekt? Wir hatten kein Hole-in-one und kein Hole-out dabei. Auf der 16 und 18 war es ganz knapp. Da ist der Ball nach dem Pitchen mit Backspin direkt am Loch vorbeigerollt.

Also nimmt das Herren-Team des Golf-Club Main-Taunus im kommenden Jahr den nächsten Anlauf?
Martin Stoll: Ich hoffe eher, dass wir mit dieser Aktion Teams in anderen Clubs inspirieren, die es selbst mal versuchen. Wenn jemand eine 49 vorlegt, dann treten wir definitiv an für eine 48.
Hängt die Scorekarte vom Zwölfer-Scramble-Platzrekord schon im Clubhaus?
Martin Stoll: Nein, aber ich werde immer noch auf die Aktion angesprochen. Auf dem WhatsApp-Kanal des Clubs haben wir einen Live-Ticker gehabt. So konnten auch viele Mitglieder mitfiebern, die zum Beispiel im Urlaub waren. Es kommen auch immer noch Spenden hinzu, große und kleine. Wir stehen bei 9000 Euro.
Zur Person
Martin Stoll (59) ist Kapitän der Herren-Mannschaft im Golf-Club Main-Taunus. Der ehemalige Fluglotse hat selbst jahrelang für das Team gespielt, zuletzt in der Saison 2024 mit zwei Vierer-Einsätzen. Da das Team keinen klassischen Coach hat, übernimmt der Wiesbadener mehr Aufgaben als viele Kapitäne anderer Clubs. In der Saison 2026 treten Martin Stoll und sein Team in der Zweiten Bundesliga an.