Herr Bräunig, Ihr Sieg beim Saisonfinale der Pro Golf Tour ist schon ein paar Tage her. Welches Gefühl dominiert bei Ihnen: Euphorie, Erleichterung oder gar Überraschung?
Christian Bräunig: Tatsächlich ist es noch immer ein wilder Mix aus Emotionen und Gedanken. Es war mein erster Saisonsieg, ausgerechnet beim letzten Turnier, bei dem es mehr Preisgeld gibt als bei den anderen Events. Zuvor war ich mehrfach nah dran am Sieg, war zweimal Dritter. Einmal habe ich das Stechen um einen Schlag verpasst. Mein Putten hat mich zu oft im Stich gelassen. Immer wieder in der Saison habe ich auf die Rangliste der Pro Golf Tour geschaut und gedacht, dass ich eigentlich deutlich weiter oben stehen müsste.
Und dann klappt es auf die letzte Rille mit einem Sieg bei der Castanea Resort Championship und einer Tourkarte für die Challenge Tour, die sich inzwischen HotelPlanner Tour nennt.
Christian Bräunig: Verrückt, oder? Ich gebe zu, dass ich zuletzt fast meinen Frieden gemacht hatte mit dem Ende meiner Tourkarriere. Aber dieser Sieg hat alles verändert. Er hat mir noch einmal gezeigt, wie gut ich spielen kann. Dabei ist in Adendorf nicht einmal alles optimal gelaufen. Auf der ersten Runde habe ich einen Ball verloren – mitten auf dem Fairway. Der Ball hatte sich so sehr in den Boden eingebohrt, dass er einfach nicht zu finden war. Erst als ich zurück zum Tee bin, noch einen Drive gehauen habe und dann bei meinem zweiten Ball wieder in der Landezone stand, habe ich ein kleines bisschen Weiß aus dem Boden schimmern sehen. Ich habe dann zum Glück noch das Par gerettet dank eines Eagles mit dem zweiten Ball.
Was hat der Sieg denn nun genau verändert?
Christian Bräunig: Er hat mir den Glauben zurückgegeben, dass ich meine hochgesteckten Ziele erreichen kann. Jedenfalls, wenn ich so spiele. Ich halte es für möglich, auf die DP World Tour zu kommen.
„Habe meine Ausbildung zum PGA Assistent gemacht“
Vielen Spielern der Pro Golf Tour kommt mit den Jahren vielleicht nicht der Glaube an sich selbst abhanden, aber der finanzielle Spielraum. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Christian Bräunig: Ich habe vor zwei Jahren meine Ausbildung zum PGA Assistent gemacht. Dadurch konnte ich im letzten halben Jahr parallel zu meiner Toursaison die AK18-Jungen im Mainzer Golfclub betreuen. Aber neben dieser Arbeit habe ich zum Glück auch Unterstützung aus meiner Familie und mit Sockswear einen seit Jahren treuen Sponsor.
Reicht das für eine Saison 2026 mit zahlreichen weiten Reisen?
Christian Bräunig: Ich werde in den kommenden Wochen noch Gespräche führen mit möglichen Sponsoren. Zum Glück ist die Challenge Tour auch nicht mehr so teuer, wie ihr nachgesagt wird. Ein Caddie ist nicht obligatorisch, und die Preisgelder liegen mittlerweile durch die Bank bei 300.000 Euro und mehr. 2017 war meine erste Saison auf der Challenge Tour, da waren es in vielen Fällen noch 180.000 Euro. Insofern gilt heute: Wer ordentlich spielt, geht mit einem Plus raus oder deckt zumindest seine Kosten.
Christian Bräuning startet bei Qualifying School
Theoretisch könnte es für Sie ja sogar direkt noch eine Tour höher gehen. Starten Sie bei der Qualifying School?
Christian Bräunig: Ich werde dort definitiv mitspielen. Die Karte für die Challenge Tour habe ich ja schon sicher. Mein Glück ist, dass ich ohne jeden Druck antreten kann. Das tut mir erfahrungsgemäß gut. Meine Freundin, die etwas spiritueller angehaucht ist als ich, hat mir in diesem Jahr sehr dabei geholfen, an meinem Mindset zu arbeiten und unangenehmen Druck abzuschütteln. Die Erkenntnis ist eigentlich banal: Ich kann nicht mehr tun, als mein Bestes zu geben. Mit dieser Haltung fährt es sich spürbar leichter. Als super ehrgeizige Person habe ich mir in der Vergangenheit einfach zu viele Gedanken über Rankings gemacht.
Sie haben mal gesagt, Sie seien ein Gefühlsspieler und daher nicht so sehr geeignet für die Zusammenarbeit mit einem Schwungtrainer. Ihre Meinung haben Sie offenbar geändert und arbeiten mit Sebastian Buhl aus dem Golf Club St. Leon-Rot zusammen. Welche Rolle spielt Ihr Coach?
Christian Bräunig: Ehrlicherweise habe ich ihn in diesem Jahr wenig gesehen. Es bestand keine große Not, weil mein Spiel ja ganz gut funktionierte. Aber genau das verdanke ich Sebastian Buhl. Die Zusammenarbeit mit ihm in den vergangenen Jahren hat mir das Vertrauen in meinen Schwung zurückgegeben. Er ist nicht nur ein großartiger Trainer, sondern auch ein super Mensch.
Jahrelang haben Sie für den Golf-Club Main-Taunus gespielt, nun sind Sie Mitglied im Mainzer Golfclub geworden. Warum?
„Macht mir Spaß, ambitionierte Spieler zu begleiten“
Christian Bräunig: Ich wohne in Mainz und habe schon in der Vergangenheit oft im Mainzer Golfclub trainiert. So kam ich mit Geschäftsführer Stefan Kirstein und Sportdirektor Thomas Binger ins Gespräch darüber, etwas im Leistungssport aufzubauen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt geplant, die Ausbildung zum Fully Qualified PGA-Professional zu machen. Als hundertprozentigen Clubpro sehe ich mich selbst zwar nicht, aber ambitionierte Spieler als Trainer zu begleiten, macht mir Spaß.
Und wie kriegen Sie nun bis zur Q-School Ihr eigenes Putten in den Griff?
Christian Bräunig: Der erste Schritt ist schon gemacht: Ich habe den Putter gewechselt – die Rückkehr zu einem früheren Modell. Rückblickend hätte ich das schon früher tun sollen. Aber nach einem Sieg ist man immer schlauer.